21/05/2023
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Marcus Klüssendorf unterhält sich mit Elyas Bozan über die Arbeit der Frankfurter Stiftung für krebskranke Kinder.
Herr Klüssendorf, Sie leiten die Frankfurter Stiftung für krebskranke Kinder. Was macht ihre Stiftung genau?
Die Frankfurter Stiftung für krebskranke Kinder wurde 1994 von betroffenen Eltern gegründet die wussten was es heißt die Diagnose Krebs für Ihr Kind zu bekommen. Der Zweck damals wie heute war den Kindern und Jugendlichen eine Chance auf Heilung und eine Perspektive auf ein Leben ohne Spätfolgen zu geben.
Aufgrund des großzügigen Vermächtnisses der an Krebs verstorbenen Kaufhaus-Erbin Dr. Petra Joh konnte 2004 ein gleichnamiges Forschungszentrum errichtet werden an dem bis zu 60 Forschende die räumliche, technische und personelle Ausstattung für Ihre Spitzenforschung bekommen.
Dabei arbeiten wir eng mit dem Universitätsklinikum Frankfurt zusammen. Aus dieser Zusammenarbeit ist auch eine seit vielen Jahren vergebene Stiftungsprofessur hervorgegangen.
Welches sind die Forschungsbereiche, welches Interesse und welche Ziele hat die Stiftung?
Wir forschen auf höchstem Niveau in den Bereichen Molekularbiologie, Zellforschung, Virologie, Onkologie und Hämatologie.
Dabei haben wir 2 Schwerpunkte innerhalb der Forschung, zum einen die Erforschung von Resistenzen und zum anderen die Untersuchung grundlegender zellulärer Prozesse.
Das Institut für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie arbeitet an der Schnittstelle von biochemischer, zell- und molekularbiologischer Grundlagenforschung einerseits und angewandter klinischer Forschung in der pädiatrischen Onkologie andererseits. Das übergeordnete Ziel ist die Untersuchung grundlegender zellulärer Prozesse, z. B. die Erforschung von Signalwegen.
Ein weiter wichtiger Forschungsbereich befasst sich mit dem Auftreten von Resistenzen. Das Auftreten von Resistenzen ist der Hauptgrund für das Scheitern von Krebstherapien. Das Interdisziplinäre Labor für pädiatrische Tumor- und Virusforschung (IDL) untersucht schwerpunktmäßig, wie Krebszellen gegen Medikamente resistent werden und entwickelt daraus neue Therapieansätze zur Behandlung von Krebserkrankungen, für die es bisher keine geeigneten Behandlungsmöglichkeiten gibt. Dies erfolgt unter Zuhilfenahme unserer einzigartigen Zellbank, der RCCL – "Resistent Cancer Cell Line". Unser Forschungshaus beherbergt über 2500 dieser krebsresistenten Zelllinien in eigenen Kryotanks bei -196 Grad Celsius.
Was haben sie bisher erreicht, welches sind die Milestones der Stiftung?
Vor 30 Jahren sind noch 4 von 5 Kinder mit der Diagnose Krebs gestorben. Heute ist es noch 1 von 5 Kindern. Diese Zahlen sind der Forschung zu verdanken und der damit verbundenen, effektiveren und zielgenaueren Therapien.
Weiterhin ist unsere RCCL zu nennen die weltweit einzigartig ist und in über 40 Jahren aufgebaut wurde. Sie erlaubt Forschung unter Bedingungen, die die heutigen mathematischen Modelle nicht oder nur unzureichend wiedergeben. Rund 120 renommierte Forschungsorganisationen über alle Kontinente der Erde hinweg forschen an Projekten mit Zellen aus der RCCL.
Als singuläre Erfolge kann man die weltweit erstmalige Isolierung des SARS 1 Erregers (Covid = SARS 2) in 2003 durch Prof. Cinatl und seinem Team anführen. Des Weiteren konnten wir in 2018 einen Erfolg mit der Erforschung des Biomarker SAMHD1 vermelden. Ältere Patienten, die an einer akuten myeloischen Leukämie (AML) leiden bekommen häufig das Mittel Decitabin verabreicht, wenn Sie keine intensive Chemotherapie vertragen. Wenn aber der Biomarker verstärkt nachweisbar ist, ist diese Therapierungsform mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erfolgsversprechend. Durch diesen Nachweis erspart man den Patienten unnötige Qualen.
Zudem feiern wir im nächsten Jahr ein Jubiläum: über 40 Jahre RCCL Collection, 30 Jahre Stiftung, 20 Jahre Forschungszentrum.
Sie arbeiten "translational" – können sie erklären, was dies bedeutet?
Der Begriff Translational bezeichnet die Überführung von neuen Forschungserkenntnissen aus dem Labor in die Anwendung in der Klinik.
Durch die enge Verbindung mit der Kinderonkologie der Universitätsklinik werden zum einen Forschungsergebnisse so schnell wie erlaubt zur Anwendung gebracht. Umgekehrt versorgt uns die Klinik mit Daten und Proben für die weitere Forschung.
So steht bei unserer Forschung immer die praktische Anwendung im Vordergrund.
In der "personalized medicine" werden Unmengen von Daten erhoben und verarbeitet so wie auch bei den RCCL. Was sind das für Daten und wie verarbeiten sie diese?
Sicherlich steht bei unserer Forschung die "personalized medicine" nicht im Vordergrund, sondern die präklinische (angewandte) Grundlagenforschung. Allerdings kann die Erforschung weiterer Biomarker individuelle Krebstherapien maßgeblich beeinflussen.
Die systematische Untersuchung der RCCL wird dabei in der Zukunft immer stärker mittels sogenannter "Omics Methoden" durchgeführt, vornehmlich die der Proteine (Proteomics) und der Gene (Genomics).
Hier geht es um die Erfassung und Analyse aller Protein oder DNA-Sequenzen. Während z. B. in der Genetik meist die Untersuchung und Wirkung einzelner Gene im Vordergrund steht, werden in der Genomics sämtliche DNA Sequenzen des gesamten Genoms eines Organismus erfasst und untersucht.
Das bedeutet, dass Unmengen an Daten erhoben und analysiert werden müssen. Datenverarbeitung ist – wie bei vielen anderen – eine Herausforderung und befindet sich auch bei uns in einem Transformationsprozess. Neue Analyseverfahren führen zur Generierung von großen Datenmengen, die anhand spezifischer Software/ Hardware untersucht werden.
Welches sind ihre Herausforderungen? Wie können wir sie unterstützen?
Zum einen geht es uns darum, den Bekanntheitsgrad unserer Stiftung zu erhöhen. Wie sagt man so schön: „Tue Gutes und Sprich darüber“. Dazu ist eine Vernetzung mit Unterstützern, Begleitern und Förderern unerlässlich.
Um die wissenschaftlichen Herausforderungen finanzieren zu können, geht es mir als Geschäftsführer auch darum den Betrieb des Forschungshauses sicherzustellen. Wir bekommen keine Förderung der öffentlichen Hand und sind daher auf die Unterstützung der Bevölkerung, als auch von Zustiftungen und der Industrie abhängig. Konkret planen wir gerade mehrere Projekte wie z.B. die Charakterisierung von Zellbank-Resistenzmodellen u.a. mit "Omics Methoden" mit Kosten in Höhe von 3 Mio. Euro. Jegliche Unterstützung hierzu ist herzlich willkommen und wir laden alle Interessierte ein, uns in unserem Forschungshaus zu besuchen.
Hr. Elyas Bozan: Die Arbeit, die die Frankfurter Stiftung für krebskranke Kinder leistet, ist grundlegend für bessere Chancen auf Heilung und weniger negative Folgen für betroffene Kinder und Jugendliche. Wir unterstützen sie gerne und aus Überzeugung und fordern auch andere aus unserem Netzwerk dazu auf.
Vielen Dank für dieses Gespräch!