18/03/2025
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Künstliche Intelligenz (KI) wird und ist bereits das zentrale Thema der IT und aller Bereiche unseres beruflichen, kulturell – gesellschaftlichen und persönlichen Daseins, auch der HR-Welt. Sie entwickelt sich in rasantem Tempo weiter und insbesondere im Recruiting zeigen sich vielfältige Anwendungsbereiche.
Welches sind die aktuellen und zukünftigen Einsatzgebiete von KI im Recruiting, welches die Chancen, Risiken und Herausforderungen?
Ein 3-Stufen-Modell der KI im Recruiting
Die Integration von KI in den Bewerbungsprozess kann sich auf drei Stufen vollziehen:
- KI-gestützte Textverarbeitung und Kommunikation
- Unterstützung durch KI als Assistent
- Automatisierte KI und autonome Recruiting-Prozesse
Stufe 1: KI-gestützte Textverarbeitung und Kommunikation
In dieser Phase werden vor allem sprachbasierte Modelle wie ChatGPT genutzt, um textliche Aufgaben zu optimieren und zu automatisieren. Typische Anwendungsfälle sind:
- Erstellung von Stellenausschreibungen: KI generiert aus wenigen Stichworten optimierte, zielgruppenspezifische Anzeigen.
- Chatbots für Bewerberkommunikation: Sie beantworten rund um die Uhr Fragen zu Bewerbungsprozessen, Unterlagen und Fristen.
- Lebenslauf-Screening (CV-Parsing): KI analysiert Bewerbungsunterlagen und filtert relevante Informationen zu Qualifikationen und Berufserfahrung.
- Interviewvorbereitung: Automatisierte Generierung von Interviewfragen und Zusammenfassung von Bewerberprofilen.
Diese erste Stufe der Automatisierung sorgt für eine Zeitersparnis bei wiederkehrenden Aufgaben und steigert die Effizienz der Personalabteilungen.
Stufe 2: Unterstützung durch einen KI Assistenten
KI entwickelt sich auf dieser Ebene von einer abbildenden Funktion hin zu einer proaktiveren Funktion, die datenbasierte Analysen und Empfehlungen liefert. Beispiele für Anwendungen:
- Prescreening und Kandidaten-Ranking: KI analysiert Bewerbungen anhand vordefinierter Kriterien und schlägt passende Kandidaten vor.
- Unterstützung im Active Sourcing: Algorithmen durchsuchen Karriereplattformen wie LinkedIn oder XING und identifizieren geeignete Talente.
- Interview-Analysen: KI kann Sprache, Mimik und Gestik von Bewerbern auswerten.
- Datenanalysen und Performance-Messungen: KI erstellt Dashboards zur Time-to-Hire oder trackt, welche Kanäle (Jobportale, LinkedIn, Active Sourcing) die meisten qualifizierten Bewerbungen liefern.
- Personalisierte Karriereempfehlungen für Mitarbeitende: KI schlägt interne Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten vor.
Diese Stufe unterstützt effizient die Entscheidungsqualität durch datengetriebene Ansätze und hilft, Recruiting-Strategien zielgerichteter auszurichten.
Stufe 3: Automatisierte KI und autonome Recruiting-Prozesse
Auf der dritten Ebene übernimmt KI eigenständig Recruiting-Prozesse. Dazu gehören:
- Automatisierte Stellenanzeigen-Erstellung und Veröffentlichung
- Vollständigkeitsprüfung von Bewerbungsunterlagen
- Automatisierte Bewerberkommunikation (Einladungen, Absagen)
- Selbstständige Terminplanung für Vorstellungsgespräche
Die Idee hinter dieser Stufe ist eine nahezu vollautomatisierte Recruiting-Pipeline, in der viele Prozesse durch KI eigenständig gesteuert werden. Ein Beispiel ist die KI-gestützte Vorauswahl: Systeme analysieren Bewerbungen und priorisieren Kandidaten basierend auf historischen Daten.
Auf dieser Stufe zeigt sich die erste Herausforderung: Bias und Diskriminierung. Bestehende Muster in den Trainingsdaten können sich in den KI-Entscheidungen widerspiegeln und unbewusst bestimmte Gruppen benachteiligen oder andere bevorteilen.
Herausforderungen und Risiken von KI Recruiting
An erster Stelle sind hier Bias und Diskriminierung zu nennen. Vorurteile oder einseitige Sichtweisen und Daten können durch Trainingsdaten übernommen werden.
Fehlende Menschlichkeit: Automatisierte Prozesse können Bewerbern unpersönlich und kalt erscheinen. Mangelnde Menschlichkeit und keinerlei Emotion lassen möglicherweise wichtige Faktoren des jeweiligen Gegenübers außer Acht. Oftmals entscheidende Zwischentöne werden kaum wahrgenommen und ob ein Bewerber zur Unternehmenskultur passt und umgekehrt, erschließt sich nur schwer in automatisierten Prozessen.
- Mangelnde Transparenz durch KI-Modelle, die als „Blackbox“ agieren und die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen unmöglich machen.
- Fehleranfälligkeit durch Datenerhebung. Falsche oder unvollständige Daten können zu falschen Bewertungen und Schlussfolgerungen führen. Qualifizierte Kandidaten können rausfallen während weniger qualifizierte nicht beachtet werden.
- Datenschutzrisiken: KI verarbeitet sensible Daten. Die Anforderung an Compliance gemäß der EU-DSGVO und des AI-Act setzen strenge Richtlinien. Werden diese verfolgt und können Verstöße bei der Masse und Vielfalt von Daten, Aufgaben und Funktionen überhaupt kontrolliert werden?
- Verantwortung und Abhängigkeit: Wer haftet für Fehlentscheidungen der KI, beispielsweise bei fälschlichen Absagen? Und wie entwickelt sich die Expertise von Recruitern und Personalentwicklern, wenn Menschen sich immer mehr auf KI verlassen?
- Kosten und Implementierungsaufwand, Funktionalität: KI-Lösungen erfordern Investitionen, Anpassungen an bestehende Prozesse und laufende Optimierung. Sie erfordern unter Umständen signifikantes Change-Management und Konflikte im eigenen Unternehmen.
Chancen voll automatisierter Prozesse und KI im Recruiting
- Effizienzsteigerung: Automatisierte Prozesse sparen Zeit, insbesondere bei wiederkehrenden, einfachen Aufgaben, sodass sich HR-Teams auf strategische Aufgaben konzentrieren können.
- Qualität der HR und Entscheidungsgrundlage: KI standardisiert Prozesse, und berücksichtigt eine bestimmte Quantität von Daten. Subjektive Einschätzung zu Beginn wird vermieden. Wenn KI sinnvoll, bewusst und mit Vorbehalt eingesetzt wird und damit bestimmte Aufgaben erledigt, können sich HR-Manager, Recruiter und Consultants anderen, mehr qualitativ statt quantitativen und strategischen Aufgaben widmen.
- Schnelligkeit und Effizienz in der Kommunikation: schnellere Prozesse und Kommunikation können Bewerbererlebnisse verbessern.
- Talentbindung: KI kann Potenziale interner Mitarbeiter erkennen und Entwicklungsmöglichkeiten vorschlagen. Chatbots stehen rund um die Uhr zur Verfügung und der Bewerber kann Fragen stellen. KI kann Bewerber regelmäßig informieren.
- Analyse und Optimierung von Recruiting-Kanälen, Active Sourcing. KI schafft quantitativ mehr als der Mensch.
- Skalierbarkeit : Unternehmen mit hohem Bewerbungsaufkommen oder internationalen Rekrutierungs-Prozessen profitieren von KI.
KI Recruiting im Unternehmen: Nutzung und Akzeptanz von KI-Tools
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz hat sowohl in Rekrutierungsprozessen wie im Personalwesen in den letzten Jahren weltweit zugenommen bzw. liegt in der Planung von sowohl Unternehmen wie HR und Personaldienstleistern. Eine aktuelle Umfrage des Ifo Instituts (ifo.de: Randstad-ifo-Personalleiterbefragung – 20.September 2023) nach Bereichen wie Verwaltung, IT, Marketing, Vertrieb und Größe der Unternehmen (bis 49 Mitarbeiter, 50 bis 249, 250 bis 499 usw.) gegliedert zeigt jedoch, dass der tatsächliche Einsatz von KI-Tools immer noch sehr eingeschränkt stattfindet. 44% der Befragten machten zum konkreten Einsatz von KI-Tools keine Angabe, 39% gaben an, keine Tools zu nutzen. Das bisher am häufigsten genutzte KI-Tool war ChatGPT.
Rund ein Viertel der Unternehmen ergreift jedoch erste Maßnahmen zum Einsatz von KI. Die Vorbehalte der Befragten beziehen sich auf das fehlende Know-how, rechtliche Aspekte, fehlendes Vertrauen, fehlende Akzeptanz, einen geringen Mehrwert sowie den Aufwand und hohe Kosten.
Generell wird in der Rekrutierung und im Bewerbermanagement Potential von KI erwartet (14% schätzen dieses als hoch ein, 37% als mittel). ¼ der Unternehmen sieht kein Potential.
Im Leistungsmanagement, also z.B. die Bewertung von Mitarbeitern und Prognosen, sehen 31% ein niedriges Potential und 28% gar kein Potential.
Für die Personalentwicklung sieht die Mehrheit ein niedriges Potential für KI (30%) oder gar kein Potential (30%). Ein Drittel stuft das Potential als mittelhoch ein. Bezüglich der Mitarbeiterbindung schätzen 32% das Potential von KI als hoch ein, 32% als niedrig und 27% sehen kein Potential. Ein Zehntel der Unternehmen sieht hohes Potential.
Insgesamt gehen 84% der Unternehmen davon aus, dass sich die Unternehmens-Personalplanung in den nächsten fünf Jahren nicht durch KI verändern wird.
Dies ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass KI sich dauernd und schnell verändert und täglich im Fokus steht. Interesse und Neugier sind noch vorherrschend, während die konkrete Umsetzung und Implementierung zögerlich vorgenommen wird und von Zweifel und Fragen behaftet ist. Dies mag am Entwicklungsstatus der Tools und der Kosten liegen. Jede Einführung einer neuen Technologie stellt einen Prozess da, sowohl im menschlichen wie auch im technischen und ökonomischen Bereich.
Vision von KI in Human Resources und Recruiting
Die fortschreitende Integration von KI in den Bewerbungsprozess ist dennoch unausweichlich. Bereits heute haben viele Unternehmen KI-gestützte Chatbots oder CV-Parsing-Tools (Stufe 1). Die Entwicklung hin zu Stufe 2, in der KI als Assistent fungiert, wird sich innerhalb der nächsten Jahre weiterverbreiten.
Ob schließlich vollautomatisierte KI-Lösungen (Stufe 3) Einzug in den Arbeitsmarkt halten, sei dahingestellt, ich wage dies zu bezweifeln. In Europa bestehen höhere rechtliche Hürden und eine stärkere Skepsis gegenüber vollautomatisierten Auswahlprozessen als in Asien oder den USA. Dennoch werden Unternehmen verstärkt auf KI setzen, um Kosten zu senken und den Recruiting-Prozess effizienter zu gestalten und um konkurrenzfähig zu bleiben.
Der Mensch bleibt der zentrale Faktor: Ein rein KI-gesteuerter Rekrutierungs -Prozess ohne menschliche Interaktion ist bisher weder realistisch noch wünschenswert. Vielmehr wird die Zukunft in einer Hybridlösung liegen – einer Kombination aus KI-gestützter Automatisierung und menschlicher Entscheidungsfindung. Die Maschine unterstützt den Menschen.
Ein konkretes Beispiel hierfür ist der Technologiekonzern IBM. IBM nutzt prädikative Tools, um ideale Kandidatenprofile zu erstellen und diese mit potenziellen Bewerbern abzugleichen. Dabei übernimmt die KI die Vorauswahl, während menschliche Personalverantwortliche die endgültigen Entscheidungen treffen. Dieses Zusammenspiel von KI und menschlicher Expertise ermöglicht es IBM, den Rekrutierungsprozess effizienter zu gestalten und gleichzeitig sicherzustellen, dass neben den fachlichen Qualifikationen auch zwischenmenschliche Aspekte berücksichtigt werden.
Weitere konkrete Anwendungsbereiche manifestieren sich in der hybriden Methode, die klassische „Social Recruiting Strategien“ mit modernen KI-Technologien kombiniert wie Morgan Philips. Dieses System maximiert nicht nur Effizienz, Reichweite und Qualität von Rekrutierungen, sondern auch die Kommunikation und „Candidate Experience“, die sich auf unterschiedliche Bereiche des Unternehmens auswirkt wie Arbeitgebermarke und Engagement.
Schlussfolgerung
KI ist effizient, innovativ und kreativ. Sie hat Grenzen und birgt Risiken, sie ist ein enormer Schritt in unserer technischen und künftig vielleicht auch menschlichen Entwicklung. KI wird das Recruiting in den nächsten Jahren nachhaltig verändern. Während heute vor allem unterstützende Systeme (Stufe 1 und 2) im Fokus stehen, könnten langfristig immer mehr Prozesse autonom von KI übernommen werden. Die gänzliche Durchsetzbarkeit und ausschließliche Implementierung der dritten Stufe sei hier nochmals vehement angezweifelt.
Der tatsächliche Schlüssel für ein erfolgreiches KI-gestütztes Recruiting liegt darin, eine Balance zwischen Automatisierung und Menschlichkeit zu finden und in skalierbaren, kostengünstigeren Anwendungen und Tools. Je früher Unternehmen diesen Ansatz verinnerlichen und zu implementieren beginnen, umso schneller werden sich maximale Effizienz und Qualität allgemein im Unternehmen und spezifisch in ihrer Workforce durchsetzen.
Morgan Philips steht für diese Entwicklung: High Tech – High Touch!
Making success stories happen"
von Gabriele Kamps, Senior Consultant bei Morgan Philips Talent Consulting
(Quelle: www.hrperformance-online.de)